Creatio Coronae – Schöpfung der Krone

Der Graphik-Designer und Galerist Volkmar Hoppe präsentierte im Kunstraum Traube in Mühltal-Traisa vom 20.05. – 12.06.2022 meine aktuellen gewebten Werke.

In seiner Eröffnungsrede stellte er heraus, welche Rolle die Weberei am Bauhaus in seinen Gründerjahren eingenommen hatte. Und er warf die Frage auf, warum das Weben in der bildenden Kunst bis heute von geringer Bedeutung ist.

Zitat: „Im Bauhaus in Weimar wurde eigens eine Web-Werkstatt eingerichtet um die zahlreichen Frauen, die dort studieren wollten, … unterzubringen. … Von Oskar Schlemmer stammt das Zitat: “Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt und sei es nur zum Zeitvertreib.” Dies zeigt, wie gering diese Technik angesehen war unter den Männern im Bauhaus. Um so überraschender war das, was die webenden Frauen aus ihrer eingeschränkten Lage machten. Helene Börner, Gunta Stölzl und Anni Albers zeigten die gestalterischen Möglichkeiten auf. Zu moderner Architektur und Möbeldesign gehören nun einmal auch adäquate Textilien oder Wandbespannungen. Die webenden Frauen bewiesen so ihre gestalterische Kompetenz, was ihnen zunehmend auch die Pforten zu anderen Feldern öffnete und zu ihrer Anerkennung beitrug.
Übrigens: Finanziell war die Weberei am Bauhaus die lukrativste Klasse!“ …

Die Komplexität der Technik ist sicher ein Grund, warum das Weben in der bildenden Kunst derzeit eher eine Randerscheinung darstellt. Eine ruhmreiche Ausnahme ist da die Norwegerin Hannah Ryggen, deren Lebenswerk 2019 in der Schirn gewürdigt wurde. Sie hat in ihren monumentalen Wandteppichen Krieg, Faschismus und Machtmissbrauch angeprangert. Themen, die heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.“ Außerdem zieht Volkmar Hoppe einen interessanten Vergleich zwischen dem Webstuhl und dem Computer. Ich zitiere: „… Als ich Kathleen in ihrem Atelier besuchen durfte, erinnerte mich der Webstuhl in seiner Komplexität an einen vorsintflutlichen, analogen Computer. Horizontale und vertikale Fäden erzeugen das Bild ganz so wie auf unseren Bildschirmen. Einsen und Nullen – quasi – die Grundlagen der Digitaltechnik. Daraus ein Muster oder gar ein Bild zu erzeugen, erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und Geduld. Es gibt keinen Undo-Knopf (einen Knopf, der den letzten Befehl rückgängig macht). Bemerkt man einen Fehler, heißt dies oft alles zurückzuspulen und aufs Neue zu beginnen. Kathleen unterstreicht den digitalen Aspekt zusätzlich durch die überwiegende Verwendung von schwarzen und weißen Fäden…“

Mein Mann, Heiko Fritz – Philosoph – beleuchtete in seiner Rede den künstlerischen Aspekt im Handwerk.
Er wirft die Frage: „Was berechtigt zur Annahme der nahen Verwandtschaft von Handwerk und Kunst?“ auf.

Es könnte auf die Frage als unmittelbare Antwort salopp behauptet werden, es sei doch keine Kunst ein Handwerk auszuüben, wenn es erlernt wurde und man danach langjährige praktische Fertigkeiten erlangt hat. Und dem ist nicht zu widersprechen, aber gleichzeitig weist die Bemerkung schon auf das entscheidende Problem einer Erklärung der Verknüpfung von Kunst und Handwerk hin, und zwar auf die konkrete Bedeutung des heute allgemein recht unkritisch verwendeten Wortes „Kunst“.

Was macht das Ergebnis einer Arbeit oder diese selbst zur Kunst? In erster Linie, wenn der Erzeuger des Werkes, aber auch der Betrachter oder Anwender des Arbeitsergebnisses darauf eine über das praktisch-technische Moment hinaus gehende Antwort geben können. Der entscheidende Bedeutungsgehalt von Kunst ist also, daß sie im wörtlichen Sinne „ansprechen“ muß, so daß der Mensch angeregt wird, zumindest für sich eine Antwort auf das Widerfahrnis zu geben. Wird zum Beispiel ein Handtuch oder der Bezug eines Kissens gewebt, so kann beides im praktischen Gebrauch ohne weitere zusätzliche Gedanken aufgehen. Dann spricht man auch im Alltag nicht von einem Kunstwerk. Erst wenn das Webergebnis über seine Materialbeschaffenheit, die Form oder das Muster mehr sagt, als für eine reine Nutzanwendung nötig ist, tritt es in die Sphäre der Kunst.“

Desweiteren knüpft Heiko Fritz Zusammenhänge zwischen der Gesamtheit der zum Weben verwendeten Fäden und der der Menschengemeinschaft. Diese mögen etwas ungewohnt anmuten, können aber durchaus augenscheinlich werden.

Denn beim Weben handelt es sich „vornehmlich um den Gestaltungsvorgang des Bindens von vielen einzelnen Fäden, um im Ergebnis als Verknüpfungen von diesen Struktur und Festigkeit zu erhalten. Der einzelne Faden ist dabei oft dünn und kann unter der Spannung im Webstuhl auch mal reißen. Das alles entspricht durchaus dem Zustand unserer menschlichen Gesellschaft. Das Einzelindividuum, konsequent für sich allein gedacht, hätte keinen Bestand, sondern erhält seinen Wert durch die Stellung und damit auch den Beitrag in der Gemeinschaft. Und wenn ich auf die vielen einzelnen Fäden im Webstuhl blicke, erscheint es meinen Augen, die die des Laien sind, immer als ein verwirrendes Vielerlei, das aber schließlich mit wohlüberlegten Kreuzungen ein aussagekräftiges Muster oder Bild erhält. Auch das kann auf die Gesellschaft bezogen werden, die immer in der Weise in Erscheinung tritt, wie alle einzelnen Mitglieder miteinander in Verbindung sind...“

Mit dieser Ausstellung bekam ich nach über zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkung erstmals wieder eine Gelegenheit, Kreationen aus meiner Webwerkstatt zu zeigen. Fast alle entstanden in der Zeit der Corona-Pandemie.

Ich habe die Zeit der Isolation genutzt, um mir neue Techniken anzueignen. Es war eine abenteuerliche Erkenntnisreise, wovon ich hier berichten will. Was daraus entstanden ist, versuche ich in Bildern so gut wie möglich wiederzugeben.

In einem traditionellen Rückengurtwebstuhl eingeborener Völker webte ich von Anfang bis Mitte 2020 vier Tischbänder. Es brauchte fast ein halbes Jahr, bis ich mich mit seiner Handhabung vertraut fühlte. Denn in seinem schlichten Aufbau fordert er vom Weber umso mehr an Sorgfalt und Kunstfertigkeit ab.

In meinem Beitrag „Schönheit und Grenzen der clasp-weaving-Technik“ hatte ich schon von der sehr faszinierenden Webtechnik des „umschlungenen Schussfadens“ berichtet. Die Taschen, die 2020 in der zweiten Jahreshälfte entstanden sind, bereicherten die Ausstellung um weitere künstlerische wie alltagstaugliche Arbeiten.

Die Bildgewebe, Mitte 2021 – Anfang 2022 in der Transparentgewebetechnik mit eingelegtem Musterschuss gearbeitet, waren etwas ganz Neues für mich, weshalb ich zunächst großen Respekt vor dieser Arbeit hatte. Sowohl die Webtechnik als auch die bildnerische Gestaltung forderten von mir neue Kompetenzen ab. Der Weg ihrer Entstehung war lang, schwierig, aber auch schön, an dessen Ende ich stolz auf die Ergebnisse bin.

Während all der Zeit und auch als ich die Ausstellung vorbereitete, begleiteten mich zwei Leitsätze, aus denen ich meine Kraft schöpfte. Einmal: „Wanderer, es gibt keinen Weg, der Weg entsteht im Gehen.“ von Antonio Machado. Und: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ von Friedrich Schiller.